Kern täuferischer Überzeugung ist: Mit Zwang ist nicht viel zu wollen.
Paulus beginnt das 8. Kapitel des Römerbriefes mit diesen Sätzen: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Kaum etwas könnte besser beschreiben, was für mich Glauben bedeutet. Es sind Worte, die befreien und einen aufatmen lassen. Die Last, die unsere Existenz zuweilen ausmachen kann, verliert an Gewicht. Diese Worte verweisen uns auf etwas, was abseits von Erschöpfung, Krankheit und Tod liegt.
Paulus schreibt den Geschwistern in Rom, weil sie Verfolgung ausgesetzt sind. Sie benötigen etwas, woran sie sich aufrichten können. Paulus versteht es, dem nach weltlichen Maßstäben schändlichen Kreuzestod Jesu einen positiven Spin zu geben. Er begreift das Schicksal Christi als Opfergang. Für Menschen der Antike war das religiöse Opfer durchweg positiv besetzt. Es ist uns in der Neuzeit zunehmend fragwürdig geworden. Darum betrachte ich Jesu Martyrium lieber als eine uneigennützige Vorleistung unbedingter Liebe, als Zeichen gegen die Heillosigkeit einer Welt, die sich selbst im Unwichtigen genug ist.
Paulus sagt uns, dass unsere wechselhaften, vergänglichen Bedürfnisse uns davon ablenken, dass da etwas auf uns wartet, was Bestand haben wird. Es ist die Ahnung aus einer geistigen Welt, die beständig ihren Abglanz auf uns wirft. Die Zuwendung unseres Schöpfers an uns ist unabhängig von all den Äußerlichkeiten, von Besitz, Macht und Ansehen. Sie ist ein spiritueller Schatz, der all dies locker aufwiegt. Sie vermittelt Leichtigkeit und Ablösung von dem, was uns beschwert und niederhält.
Paulus betrachtet uns als Kinder, die eine Zukunft haben, als Kinder, die glauben, wo es scheinbar wenig Anlass dafür gibt. Gottes Blick auf uns ist keiner, der zwingen will. Er ist nicht das wachsame Auge der Erziehungsberechtigten. Uns trifft ein verstehender Blick, der bereits um alles weiß, der nicht mehr ausforschen muss, weil er schon alles in uns erkannt hat. Ein Blick, der Beziehung will, nicht Vereinnahmung. Ein Blick, den wir gerne erwidern.
Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?
Nichts und niemand, nimmermehr.
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